Im Flüchtlingscamp Brezice fehlt es an allem: Decken, Wasser, Nahrung. Doch am schlimmsten ist, dass die Menschen nicht wissen, wie es mit ihnen weitergeht. Zuletzt brannten die Zelte.
Ahmed, 14, hat nichts mehr gegessen, seit er in Kroatien aufgebrochen ist. Stundenlang lief der Junge aus dem syrischen Aleppo in dieser Nacht, über die grüne Grenze von Kroatien nach Slowenien. Im Morgengrauen kam er im Flüchtlingslager in Brezice an. Dort steht er nun hinter einem Zaun, steckt seine Arme durch die rostigen Eisenstäbe, um nach dem Toastbrot zu angeln. Zwei freiwillige Helfer reichen es zu den Flüchtlingen durch. “Wir haben auch kein Wasser”, sagt Ahmed.
Es klingt zynisch, aber im Vergleich zu vielen anderen hat er noch Glück gehabt. Ahmed trägt eine halbwegs warme Jacke. Und er ist mit seiner Schwester zusammen in dem Camp eingesperrt. Andere Flüchtlinge sind weniger gut gegen die Kälte gewappnet. Und viele wurden von ihren Familien getrennt. “Wisst ihr, wo meine Kinder sind?”, fragt ein Mann hinter dem Zaun. Niemand kann es ihm sagen
“Es sind viele Kranke im Lager”, sagt die österreichische Studentin Bettina Zillinger, 26, die eine der begehrten Genehmigungen ergattert hat und das Camp gelegentlich betreten darf. “Doch sie wollen nicht zum Arzt.” Denn wer den Doktor aufsuche, komme hinterher nicht mehr mit seiner Familie im Lager zusammen.
Am Mittwoch brannte mehr als die Hälfte der Zelte im Lager ab. Flüchtlinge hätten sie aus Protest angezündet, bestätigt die Polizei. Die nachkommenden Flüchtlinge mussten im Freien schlafen, auf der kalten Erde.
Die Lage in Brezice ist so angespannt, dass sie jederzeit weiter eskalieren kann. Denn es fehlt nicht nur an Wasser, Nahrung und Decken, sondern auch an Informationen. Immer wieder fahren Reisebusse an der matschigen Wiese vor, die zwischen dem Camp und einem Altenheim liegt. Sie bringen Flüchtlinge zur Grenze von Österreich, sagt ein Polizist. Doch die Menschen im Camp wissen nicht, wann sie an der Reihe sind.
Einen Ansprechpartner für die Journalisten, die an der Wiese stehen, gibt es nicht. Selbst die Polizei scheint schlecht informiert – und entsprechend frustriert. Ein slowenischer Polizist droht auf Deutsch mit Bußgeld, falls die Reporter sich dem Camp noch einen weiteren Schritt nähern.
“Dort ist Slowenien, lauft dorthin”
Später sagt der große, schlanke Beamte mit dem glatt rasierten Kinn fast entschuldigend: “Es ist alles so stressig.” Er sei um halb 3 in der Nacht aufgestanden, seit 4 Uhr im Einsatz und seine Schicht gehe 14 Stunden. “Und morgen dasselbe wieder.” Es ist sein dritter Tag hier.
Die Schuld sieht er bei den Kroaten, die in den vergangenen Nächten Tausende Flüchtlinge zur Grenze gefahren und sie dort abgesetzt hätten. “Sie verstecken die Busse, schalten in den Zügen das Licht aus und sagen zu den Menschen: Dort ist Slowenien, lauft dorthin.” Sein Land habe sich nicht vorbereiten können. 12.600 Flüchtlinge sind laut den Behörden angekommen – in den vergangenen 24 Stunden.
Dabei verfolgt Slowenien dieselbe Strategie: Die Flüchtlinge so schnell wie möglich loswerden, weiterschicken nach Österreich und Deutschland. “Aber wir registrieren sie wenigstens vorher!”, entgegnet der Beamte, der seinen Namen nicht nennen will.
Von der Armee, die die Polizei an der Grenze unterstützen soll, ist bisher noch wenig zu sehen. Drei Panzer und einige olivgrüne Jeeps stehen vor dem Camp, als Abschreckung. Doch es ist die Polizei, die die Flüchtlinge zu den Bussen begleitet und die Presse zurechtweist.
“Menschen haben um Toastbrot gekämpft”